Jürgen Steffen, Ex-Diplomat beim Auswärtigen Amt (rechts), referierte beim zweiten Infoabend am Marienberg auf Einladung von Marita König, Flüchtlingskoordinatorin der Stadt Boppard (links), Irmgard Siemen (2.v.r.) von der Flüchtlingshilfe Boppard und Magdalena Mohr-Quadt, Schulleiterin der Bischöflichen Realschule Marienberg Boppard, über Hintergründe von Bürgerkrieg und Flüchtlingswelle in Syrien.

Gegen den Hang von uns Menschen, Zusammenhänge zu vereinfachen, arbeitet Ex-Diplomat Jürgen Steffen auch im Umgang mit Flüchtlingen. „Syrer sind nicht gleich Syrer“, das konnte am vergangenen Freitag beim Infoabend der Flüchtlingsinitiative Boppard in der Bischöflichen Realschule Marienberg Boppard jeder der rund 60 Teilnehmer mitnehmen. In einem rund zweistündigen Vortrag stellte Steffen, der mehrere Jahrzehnte als Diplomat für das Auswärtige Amt in Städten wie Kairo, Damaskus, Beirut und Bagdad lebte, Zusammenhänge zwischen der aktuellen Flüchtlingswelle aus Syrien und deren geschichtlich bedingten Ursachen her.

In seiner Darstellung ging Steffen zurück bis zum Zerfall des osmanischen Reiches 1918, was gepaart mit Kolonialisierung, willkürlicher politischer Grenzziehungen, der Bildung des Staates Israel, der Diktatur des Asad-Regimes und letztlich dem Aufstieg der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) in den Bürgerkrieg mündete. „Syrien ist ein Land mit einer ausgeprägten ethnischen Vielfalt“, das betonte Steffen immer wieder. Wer mit Flüchtlingen aus Syrien zusammentreffe, komme nicht umhin, sich mit deren ethnischer Herkunft zu beschäftigen. Mehr als 70 Prozent der Menschen dort seien Araber und damit auch Anhänger der muslimischen Religion. Die Ausprägung jedoch hänge von der Volkszugehörigkeit ab. Sunniten lebten ganz anders als Kurden, Schiiten, Alawiten oder gar Drusen und Jesiden. Nur rund zehn Prozent der Syrer seien Christen. Mittels Powerpoint und Kartenmaterial verortete Steffen die einzelnen Völkergruppen im Nahen Osten und veranschaulichte somit, wie wenig die Staatenbildung mit dem ethnischen Bewusstsein der Menschen dort zu tun habe. Dies sei mit eine Ursache für die politische Instabilität des Nahen Osten. Weitere Gründe wie rasches Bevölkerungswachstum, Radikalisierung einzelner Gruppierungen und der Arabische Frühling hätten die Basis für den Ausbruch des Bürgerkrieges 2011 geliefert. „Dass heute so viele junge Männer nach Deutschland kommen, hängt zum einen mit der Wehrpflicht dort zusammen“, erklärte Steffen. Alle jungen Männer würden eingezogen werden. Außerdem sei Deutschland geschichtlich bedingt schon seit Jahrzehnten ein Vorbild für westliche Lebensart und daher besonders attraktiv. Steffen schloss seine Ausführungen mit praktischen Tipps. Wichtig sei für die Arbeit mit syrischen Flüchtlingen, dass man versuche, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen. Die Menschen von dort könnten beispielsweise nicht mit Atheismus umgehen, weil sie das gar nicht kennen würden. „In Syrien glaubt jeder“, so Steffen. Auch Umgangsformen, Ess- und Trinkgewohnheiten seien ganz anders.

„Der Abend am Marienberg war bereits der zweite Infoabend mit Herrn Steffen, es wird sicher nicht der letzte bleiben“, dessen waren sich die Organisatoren von der Stadt Boppard vertreten durch Marita König, von der Flüchtlingsinitiative Boppard vertreten durch Irmgard Siemen und auch Schulleiterin Magdalena Mohr-Quadt von Boppards Bistumsschule einig. „Wir wollen unser Haus zur Unterstützung der Flüchtlingshilfe in Boppard öffnen“, betonte Mohr-Quadt daher. Seit Beginn des Schuljahres gebe es Verbindungen zur Flüchtlingsinitiative Boppard. Schüler gingen einmal wöchentlich zur Kinderbetreuung ins Haus Helvetia. Ein Dank an Organisatoren und Zuhörer gleichermaßen sprach Marita König aus. Die Flüchtlingskoordinatorin der Stadt Boppard hob daher abschließend hervor: „Die Stadt habe die Aufgabe, Unterkünfte für Flüchtlinge bereitzustellen. Die Integration braucht viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer.“ Sie lobte daher das Engagement dieser Helfer, insbesondere aber auch die Offenheit an einem solchen Infoabend teilzunehmen. Manche hörten sich die Informationen bereits zum zweiten Mal an. Ihre Bewertung: „Der Vortrag war so interessant und so reich an Informationen. Das kann man gar nicht oft genug hören.“

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